Mehr als 33 Milliarden Schweizerfranken sind eine Menge Geld. Diesem Betrag entspricht das Vermögen unserer drei Sozialversicherungen, der AHV (welche natürlich den Löwenanteil ausmacht), der IV und der EO (Erwerbsersatzordnung), per 31. Dezember 2015. Die Frage, von wem und wie diese Gelder verwaltet werden, ist verständlicherweise von öffentlichem Interesse, denn schliesslich handelt es sich dabei um Volksvermögen: Es wird durch die Beiträge der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Selbständigerwerbenden sowie durch Steuern geäufnet.
Dieser Umstand hat mich im Laufe der drei letzten Jahre dazu bewogen, mehrere Vorstösse zu den für die Verwaltung «unserer» 33 Milliarden zuständigen Ausgleichsfonds AHV/IV/EO einzureichen. Zuerst war der Grundtenor der bundesrätlichen Antworten stets der gleiche: «Alles in bester Ordnung. Kein Grund zur Sorge.» In der Folge musste die Regierung dann allerdings einige bedenkliche Fakten einräumen.
Diese Vorstösse haben die Ausgleichsfonds AHV/IV/EO schliesslich auch dazu veranlasst, selber etwas mehr Licht in ihre Geschäftstätigkeiten zu bringen, indem sie – zum ersten Mal in ihrer Geschichte – in ihrem Jahresbericht 2014 die Liste der Vermögensverwaltungsmandate publizierten. Ich erachte die gegenwärtige Situation insbesondere aus den folgenden vier Gründen als sehr problematisch:
Erstens sind vom erwähnten Vermögen 20,5 Milliarden in ausländischen Wertpapieren und Fremdwährungen und 13 Milliarden in Schweizerfranken angelegt. Dies bedeutet, dass ungefähr zwei Drittel des AHV-Vermögens bei Depotstellen im Ausland verwahrt werden, und zwar sowohl in entwickelten Ländern (Grossbritannien, die USA usw.) als auch in Schwellenländern (wie zum Beispiel Russland und China). Der Bundesrat bekundete einige Mühe, dies zuzugeben. Zuerst hat er sogar behauptet, das gesamte AHV-Vermögen liege in der Schweiz, bei der UBS in Zürich. Im Nachhinein musste er indes eingestehen, dass das in ausländischen Wertpapieren und Fremdwährungen angelegte Vermögen der AHV bei Depotstellen im Ausland placiert ist.
Hierzu ein praktisches Beispiel: Die einen Teil des AHV-Vermögens bildenden amerikanischen Aktien sind bei der Citibank in New York verwahrt, während die japanischen Aktien bei der Bank of Tokyo-Mitsubishi in Tokio aufbewahrt werden. Man darf sich zu Recht fragen, was wohl mit diesen Geldern im Falle der Verhängung von Vermögenssperren durch ausländische Gerichte geschehen würde. Solche Fragen aber scheint sich der Bundesrat nicht zu stellen.
Zweitens erfolgt die Verwaltung von 10,2 Milliarden Franken durch Vermögensverwalter mit Sitz in London und in den USA – von Boston bis Pasadena. Als gäbe es in der Schweiz nicht genügend international anerkannte Banken, Vermögensverwalter und andere Finanzintermediäre.
Das Eidgenössische Departement des Innern sieht darin kein Problem. In einer seiner Antworten wirft es der Schweiz gar mangelnde Kompetenz in der institutionellen Vermögensverwaltung vor: «In der weltweiten Rangliste 2015 der grössten institutionellen Vermögensverwalter rangiert der erste Schweizer Vermögensverwalter lediglich auf Rang 23, und nur deren drei sind überhaupt unter den Top 100 aufgeführt.» Als ob die Grösse eines Vermögensverwalters automatisch auch für dessen Qualität stehen würde. Das Departement des Innern führt weiter aus: «Die Fonds müssen von den besten Verwaltern betreut werden, unabhängig davon, wo auf der Welt sich diese befinden.» Sind die besten Vermögensverwalter für die AHV-Gelder tatsächlich in œbersee? Nun, Lehman Brothers können wir nicht mehr fragen…
Drittens unterliegen die Ausgleichsfonds AHV/IV/EO für die Vergabe von Vermögensverwaltungsmandaten in der Schweiz und im Ausland nicht dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Der Bundesrat widersetzt sich, die Fonds diesem Gesetz und der damit bezweckten Transparenz zu unterstellen. Dies, obwohl die Sozialversicherungsinstitute in anderen Ländern wie beispielsweise Luxemburg bei der Vergabe von Vermögensverwaltungsmandaten den Regeln über das öffentliche Beschaffungswesen unterstellt sind.
Viertens erscheinen seit rund zehn Jahren der Personal- sowie der Betriebsaufwand der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO merkwürdigerweise nicht mehr in den von der Bundesversammlung genehmigten Budgets und Jahresrechnungen des Bundes. Das Parlament hat somit keine Möglichkeit mehr, seine Funktion der Oberaufsicht über diese Fonds auszuüben. Während die beiden Kammern gelegentlich über eine 50 000-fränkige Subvention im Kultur- oder Sportbereich beraten, bleibt ihnen nur schon ein flüchtiger Blick auf die Betriebskosten einer Institution, die über 33 Milliarden Franken verwaltet, verwehrt. Der Bundesrat lehnt es ab, diese Situation zu ändern.
Hoffen wir, dass unser Land – insbesondere im Hinblick auf die vorgenannten vier Punkte – für die vom Bundesrat bewusst getroffenen Entscheidungen nicht eines Tages teuer bezahlen muss.
Olivier Feller
FDP-Nationalrat Waadt
Dieser Artikel wurde am 23. März 2016 in der Neuen Zürcher Zeitung publiziert.